Knaststadt Bayreuth

Der SDS Bayreuth veröffentlichte zum Tag der politischen Gefangenen eine Broschüre zur JVA Bayreuth

 

 

 

 

 

 

 

Die Knaststadt Bayreuth

Wer den Bayreuther Stadtteil St. Georgen betritt, kann den Knast kaum übersehen. Quasi der halbe Stadtteil ist ein einziges Gefängnisgelände. Die Justizvollzugsanstalt St. Georgen-Bayreuth ist nach der JVA München-Stadelheim und der JVA Nürnberg die drittgrößte Justizvollzugsanstalt in Bayern. In drei räumlich voneinander getrennten Arealen beherbergt die Anstalt eine Gesamtkapazität von 911 Haftplätzen, davon zwei für Häftlinge mit Behinderung. Laut Anstaltsleiter Matthias Konopka wurde das „Zucht- und Arbeitshaus“ 1724 von Markgraf Friedrich errichtet. Im Dritten Reich diente das Gefängnis für die Inhaftierung politischer-, sowie ausländischer Gefangener. Diese wurden dort systematisch misshandelt und auch getötet. Nach dem Krieg wurde das Gefängnis bis 1949 von der US-Armee genutzt und schließlich an das bayerische Staatsministerium der Justiz übergeben. Die Geschichte des Knastes ist also alt und die Parallelwelt Gefängnis eng mit der Stadt verwoben.

Haftbedingungen in der JVA Bayreuth heute

Die hier mitgeteilten Informationen haben wir von (ehem.) Häftlingen der JVA Bayreuth erhalten. Darin werden der JVA Bayreuth unter anderem schwerwiegende Verletzungen der Menschenwürde, durch widerrechtliche Unterbringung von Gefangenen vorgeworfen.

Schlechte Behandlung der Gefangenen aus politischen Gründen

Wie im vorangegangenen Teil bereits bemerkt wurde, war die JVA Bayreuth im dritten Reich u.a. ein Ort für die Inhaftierung politischer Gefangene. Der Fachbegriff für das Wegsperren politisch unliebsamer Personen lautete „Schutzhaft“. Auch heute noch gibt es politische Gefangene in der JVA Bayreuth. Einer von ihnen heißt Jan und muss zurzeit eine Gefängnisstrafe absitzen, weil er 2019 Polizist*innen „angeschrien“ haben soll. Jan ist ein politischer Gefangener, weil er der linksradikalen Szene zugeordnet wird und dieser Umstand ist auch den Wärter*innen der JVA Bayreuth bekannt. Wie wir erfahren haben, wird Jan aufgrund seiner politischen Gesinnung missgünstig behandelt. Im alltäglichen Umgang, bei bürokratischen Maßnahmen wie der Arbeitszuteilung und den potenziellen Haftlockerungen wird nicht nach Vollzugsplan vorgegangen.

Widerrechtliche Vergitterung der Fenster in der JVA Bayreuth

Fest steht aber, dass die JVA Bayreuth gegen geltendes Recht verstößt, indem sie Fenster doppelt vergittert. Im berüchtigten Gefängnistrakt A0 der JVA Bayreuth sind die Fenster sogar dreifach vergittert. Laut Insidern beeinträchtigt diese Art der Vergitterung das Leben innerhalb der Zellen, da zu wenig Licht einfällt. Nach Art. 170 BayStVollzG müssen die Räume ausreichend Fensterfläche besitzen. Für die Beurteilung was ausreichend ist, werden regelmäßig Nr. 14 a) der UN Resolution 50/175 (Mandela-Regeln), sowie Nr. 16 a) der Empfehlung R(87) 3 des Ministerkommitees des Europarates („Europäische Strafvollzugsgrundsätze“) herangezogen. In beiden heißt es, dass die Fenster groß genug sein müssen, damit die Gefangen unter normalen Voraussetzungen bei Tageslicht lesen und arbeiten können. Ob dies bei 2 bis 3-Fach vergitterten Fenstern der Fall ist, kann gut und gerne angezweifelt werden.

Mangelhafte medizinische Versorgung der Gefangenen

Der JVA Bayreuth wird außerdem vorgeworfen, dass Sie eine katastrophal mangelhafte Medizinische Versorgung hat. Wie uns mitgeteilt wurde, müssen Gefangene bei akuten Schmerzen einen Antrag auf ärztliche Behandlung stellen und anschließend teilweise bis zu einer Woche auf eine Behandlung warten. Dies kann unter Umständen lebensgefährlich sein.

Nun steht die gesamte JVA Bayreuth seit Anfang März unbefristet unter Quarantäne, solange bis alle Trakte wieder Corona-frei sind. Die Pandemie konnte sich hinter Gittern trotz Quarantänebereichen in der ganzen Anstalt ausbreiten. Besonders schmerzlich ist dabei für alle Gefangenen die Aussetzung der Angehörigenbesuche auf einen undefinierten Zeitraum.

Zu kleine Zellen für zu viele Gefangene

Darüber hinaus sind in der JVA Bayreuth nach uns vorliegenden Informationen weitestgehend 5 Gefangene auf einer Zellengröße von 15 qm untergebracht. Der Bundesgerichtshof befand im Jahr 2004 eine Unterbringung von 5 Personen in einem 16qm großen Raum mit integrierter Toilette als Verletzung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG (BGH, 04.11.2004 – III ZR 361/03).  Mit abgetrennter Toilette erachten das OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe, 31.01.2005 – Ws 279/04 Rn. 17, 18), sowie das OLG Celle (OLG Celle, 03.07.2003 – Ws 171/03 Rn. 21) zwar eine Zellengröße für eine Doppelbelegung zwischen 9 und 10qm für verfassungsgemäß, 5 Gefangene Personen auf 15qm unterzubringen ist jedoch in jedem Fall verfassungsrechtlich höchst fragwürdig und bedeutet schlicht eine menschenunwürdige Unterbringung.

Der Gefängnistrakt des Grauens

Der berüchtigte „Trakt A0“ lässt unter solchen Umständen seine Gefangenen 22h am Tag, 7 Tage die Woche, eingeschlossen. Ein Aufschluss von lediglich 2h am Tag liegt weit unter dem Standard. Darüber hinaus ist eine gemeinsame Unterbringung von Gefangenen im sog. geschlossenen Vollzug nach Bundesrecht nur vorübergehend und aus zwingenden Gründen möglich Art. 18 II S. 2 StrafVollzG. In Bayern wiederum gibt es eine solche Unterscheidung nicht. Nach Art. 20 Abs. 2 BayStVollzG dürfen die Gefangenen egal ob geschlossener oder offener Vollzug stets zusammen untergebracht werden, sofern dies die räumlichen Gegebenheiten der Anstalt erfordern. Wir sind der Ansicht, dass dies eine Abscheulichkeit ist. Es kann nicht sein, dass Anstalten denen angeblich eine Resozialisierungsaufgabe zukommt durch ein gesetzliches Recht zur Überbelegung die psychische Gesundheit der Insassen gefährdet, indem diese mehr oder weniger ganztägig in größeren Gruppen zusammengesperrt werden.

Gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen in der JVA Bayreuth

Die Arbeitsbedingungen in der JVA Bayreuth gefährden die Gesundheit der Gefangenen. Gefangene die arbeiten wollen, müssen ohne ausreichende Schutzausrüstung Metallarbeiten verrichten. Uns wurde berichtet, dass ein Gefangener, der für die Arbeit mit scharfkantigem Metall Schutzhandschuhe forderte, umgehend entlassen wurde. Entspricht dies der Wahrheit, so wäre dies ein Verstoß gegen Art. 39 Abs. 2 BayStVollzG. Die Anstalt soll den Gefangen demnach wirtschaftlich ergiebige Arbeit zuweisen. Ein Entzug dieser Tätigkeit ist nur als Disziplinarmaßnahme möglich, wenn der gefangene Mensch schuldhaft eine seiner Pflichten verletzt hat, vgl. Art. 109 Abs. 1, 110 Abs. 1 NR. 6 BayStVollzG. Nach unserer Recherche gehört zu den Pflichten gefangener Menschen nicht sich bei den zugewiesenen Tätigkeiten zu verletzen. Die Bitte oder Aufforderung danach für die Arbeiten geeignete Schutzkleidung zur Verfügung gestellt zu bekommen ist im Gegenteil keine Pflichtverletzung des gefangenen Menschen, sondern wohl vielmehr ein Recht.

Schlechte Bezahlung der Gefangenen

Die oben genannten Arbeiten werden mit einem Stundenlohn von 1,33 Euro vergütet. Von diesen Bezügen dürfen gefangene Menschen nach Art. 50 I BayStVollzG jedoch nur 3/7 in Form des sog. Hausgeldes tatsächlich für den Einkauf in der Haftanstalt verwenden. Mit diesem Geld müssen Gefangene ihren Monatsbedarf an Tabak, Kaffee, Telefonieren und Hygieneprodukten decken. Das bedeutet, dass ein gefangener Mensch bei einem 8 Stunden Arbeitstag zwei volle Tage arbeiten muss, um sich von dem ihm zur Verfügung stehenden Geld eine Schachtel Zigaretten kaufen zu können.

Mutwillig erschwerte Kontaktaufnahme mit Angehörigen

Die JVA Bayreuth erschwert mutwillig die Kontaktaufnahme mit Angehörigen und Freund*innen durch wenige Telefonsprechzeiten. Nicht immer gelingt es Gefangenen so einen Telefonplatz zu erwischen. Für Angehörige ist dies auch eine große Belastung, da sie so teilweise mehrere Tage gestresst auf einen Anruf warten müssen. Die Telefonzeiten z.B auf Trakt A0 sind so eingeteilt, dass Gefangene gezwungen sind, sich zwischen Telefonieren und dem Anstellen bei der Essensausgabe entscheiden zu müssen. Unter den prekären Corona Maßnahmen der Anstalt spitzt sich die Isolation zu.

Drei selbstgewählte Bücher für die gesamte Haftzeit

Dem politischen Gefangenen Jan, wie auch allen anderen Gefangenen der JVA Bayreuth werden während ihrer gesamten Haftzeit drei selbstgewählte Bücher, neben einer sehr beschränkten Anstaltsbücherei zugestanden und das obwohl Art. 70 I BayStVollzG ein subjektives Recht der gefangenen Menschen beinhaltet, in angemessenem Umfang Bücher und andere Gegenstände zur Freizeitbeschäftigung zu besitzen. Gerichtlich wurden bereits deutlich höhere Anzahlen an Bücher als angemessen beurteilt, so z.B. 20 Stück plus Leitz-Ordner nach Ansicht des OLG Koblenz 1980 (OLG Koblenz, 20.02.1980 – 2 Vollz (Ws) 1/80) bzw. 10 Stück unter anderen Haftbedingungen im Jahr 1988 (OLG Koblenz, 04.11.1988 – 2 Vollz (Ws) 75/88). Auch hier wird wieder im Vergleich deutlich erhöhte, sich in den Grauzonen bewegende, am Rande der Legalität kratzende Repression deutlich. Die aber vor allem jeglicher Legitimation entbehrt. Die Bücher dürfen nicht frei ausgewählt werden, sondern werden auf ihren Inhalt geprüft und je nachdem zensiert.

Drangsalierung einzelner Gefangener durch die JVA Bayreuth

Seit Jans Ankunft wird er in regelmäßigen Abständen von Trakt zu Trakt verlegt, mutmaßlich damit er sich nicht an die neue Umgebung gewöhnen kann. Zuletzt wurde er in den A0 Trakt verlegt, der für die Gefangenen gedacht ist, die sich der Arbeit in der JVA Bayreuth verweigern. Jan will arbeiten, jedoch wurden ihm bisher diverse Arbeitsplätze ohne Begründung durch die JVA Bayreuth vorenthalten. Die Post wird Jan sehr unregelmäßig zugestellt. Briefe kommen oft wochenlang oder gar nicht bei ihm an. Je nach Tagesform finden Wärter*innen inoffizielle Wege ihre Missgunst willkürlich auszudrücken.

 

Das Knastgemüse und die Universität Bayreuth

Laut Presse unterhält die JVA Bayreuth 15 Eigenbetriebe, wie z.B. eine Kfz-Werkstatt, eine Schlosserei und auch eine große Gärtnerei. Diese Eigenbetriebe arbeiten einerseits für die Selbstversorgung der JVA, andererseits für Unternehmen von außerhalb. Das Projekt der Knasteigenen Betriebe wird mit dem Label „Haftsache“ überschrieben. Haftsache gibt vor, „ungebildeten“ Gefangenen durch eine mit 1,33 Euro pro Stunde vergütete körperliche Lohnarbeit Gefühle wie „Selbstbewusstsein, Anerkennung und Wertschätzung“ zu verschaffen. „Resozialisierung“ sei das „oberste Ziel der Arbeit im Gefängnis“. Wir finden, dass hier die monetäre Not der Gefangenen, die sich z.B. auch mal ein Duschgel kaufen wollen, schamlos ausgenutzt wird. Gefangene unterliegen so teilweise unfreiwillig dem Zwang ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Auch an der Uni Bayreuth wird Gemüse aus der Knastzwangsarbeit mit baumwoll-weißem Gewissen verkauft. Unter dem Deckmantel der Regionalität, Nachhaltigkeit und der Resozialisierung von Gefangenen werden Studierenden Tüten voll Agrarprodukte billigst für 3 Euro (Stand 2019) feilgeboten, seit 2020 sogar mit Bio-Siegel. Selbst wenn man spenden möchte, geht das mehrgezahlte Geld nicht an die Gefangenen, sondern an die JVA Bayreuth, welche das Geld dann in ihrem eigenen Sinne verwendet.

Wir kritisieren aufs schärfste die untragbaren Zustände in der JVA Bayreuth. Weiterhin finden wir die Tatsache, dass der Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus Knastzwangsarbeit als gute Sache deklariert, wird genauso geschmackvoll wie verfaultes Gemüse.

Wir fordern bessere Haftbedingungen und ein Ende der ökonomischen Ausbeutung von Gefangenen!

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